Auch bei der Frage nach den Ursachen höre ich fast immer dieselben Antworten: Es sei sehr schwer und oft unmöglich, die notwendigen Einnahmen zu erzielen. Nun ist unser Gesundheitssystem ja dadurch gekennzeichnet, dass alle Beteiligten unzufrieden sind und Laien kaum noch die Finanzierung nach vollziehen können. In diesem Fall gibt es allerdings einen Grund, der jedem Patienten begreiflich gemacht werden kann. Kurz gesagt: Ein niedersächsischer Blinddarm ist weniger wert als einer aus Rheinland-Pfalz. Für dieselbe medizinische Leistung erhalten Krankenhäuser dort ca. ein Drittel mehr als die niedersächsischen. Und das eben nicht nur beim Blinddarm, sondern bei allen Krankenhaus-Leistungen. Zweiundzwanzig Millionen Euro mehr hätte man jährlich an Einnahmen, wenn man ein rheinland-pfälzisches Krankenhaus wäre, hat man mir in der Medizinischen Hochschule Hannover vorgerechnet.
Warum? Auf diese Frage stoße ich oft auf Achselzucken. Bei dem Versuch, bundesweit Erstattungsregeln fest zu legen, ist wohl im Rahmen von einer der vielen Gesundheitsreformen eine entsprechende Festlegung erfolgt. Damals hätten die Krankenhäuser in manchen Bundesländern noch höhere Erstattungen als andere benötigt, weil sie noch relativ unwirtschaftlich gewesen wären, höre ich. Und bei den anderen, vor allem den niedersächsischen, seien Beträge festgelegt worden, die inzwischen eben bei weitem nicht mehr reichen würden.
Die Folgen sind jedenfalls besorgniserregend. Der wirtschaftliche Druck wird vor allem auf die Krankenhaus-Beschäftigten weiter geleitet. Kein Wunder, Personalkosten machen den Löwenanteil eines Krankenhaus-Budgets aus. Der Stress auf den Stationen wird immer größer und im Zweifel leidet die Qualität der Pflege empfindlich. Aber es reicht dennoch nicht: Viele Geschäftsführer berichten mir, das Jahr 2012 werde bei ihnen in tiefroten Zahlen enden. Und die häufig kommunalen Krankenhausträger werden sich zunehmend fragen, wie lange sie wachsende Zuschüsse eigentlich noch leisten können.
Und noch einmal ernte ich Achselzucken: Wenn ich frage, ob denn die niedersächsische Landesregierung schon aktiv geworden sei, um auf eine Korrektur die ungerechten Erstattungsregeln zu drängen. Davon sei nichts bekannt, bekomme ich zu hören. Das ist eigentlich unbegreiflich, wenn man bedenkt, dass sich diese Entwicklung für viele Krankenhäuser als existenzbedrohend erweisen könnte. Es sollte die selbstverständliche Pflicht der Landesregierung sein, beim Bund auf eine Gleichbehandlung zu drängen – dass ein Blinddarm eben am Ende genauso viel wert ist wie der andere. Auf meiner Liste der dringlichen Maßnahmen nach einem Regierungswechsel in Niedersachsen ist das Thema jedenfalls vermerkt.