Wie gesagt, früher einmal. Heute gibt es immer noch eine 100-Tage-Regel – das ist die Frist für das erste Zwischenzeugnis. Und was heißt schon 100 Tage, der Zeitraum kann auch beliebig verkürzt werden. Gewissermaßen als Fastfood für die politische Diskussion.
Sei´s drum, wenn die neue Niedersächsische Landesregierung am Mittwoch diese magische Amtszeit erreicht haben wird, kann sie sich mit gutem Gewissen vermessen lassen. Alle Ressorts sind im Arbeitsmodus, viele wichtige Projekte sind eingeleitet worden und in einer ganzen Reihe von Fällen ist die Kursänderung konkret spürbar. Einige Beispiele gefällig?
- In der Ausländerpolitik gibt es einen deutlichen Wechsel der Vorzeichen. Anstelle einer rigiden Abschiebepolitik werden dort künftig humanitäre Aspekte eine wesentlich größere Rolle spielen. Ein konkreter Vorschlag für die Reform der Härtefallkommission liegt auf dem Tisch.
- Ebenfalls im Innenministerium ist die Reform des Verfassungsschutzes angepackt worden – nach den Ergebnissen zu den Pannen bei der Fahndung nach den NSU-Mördern ist das dringend nötig.
- Die Diskriminierung der Gesamtschulen gehört der Vergangenheit an. Künftig hängt es vom Elternwillen und den kommunalen Schulträgern ab, ob Gesamtschulen eingerichtet werden sollen oder nicht. Und: An diesen Schulen gibt es wieder ein Abitur nach neun Jahren.
- Öffentliche Aufträge in Niedersachsen soll es nur noch bei fairen Löhnen geben. Auch dafür liegt ein konkreter Vorschlag zur Diskussion vor. Parallel dazu hat Niedersachsen im Bundesrat gemeinsam mit anderen Ländern die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns vorgeschlagen.
- Die Grundlagen für eine neue Politik des Landes gegenüber den Regionen sind gelegt worden. Die Koordination liegt jetzt in der Staatskanzlei und auch über die inhaltlichen Schwerpunkte, die mit Kommunen und gesellschaftlichen Akteuren in den Regionen diskutiert werden, besteht Einvernehmen.
- Die sanfte Agrarwende nimmt Gestalt an, die Vorgaben für neue Groß-Ställe sind deutlich restriktiver als zuvor.
Das sind nur einige Beispiele, sie lassen sich leicht ergänzen.
Daneben hat sich sich die neue Landesregierung auch kräftig in die Bundespolitik eingemischt. Seit der Niedersachsen-Wahl gibt es eine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat und das ist in vielen Initiativen spürbar, z.B. der Forderung nach Abschaffung des Betreuungsgeldes oder der Bekämpfung der Steuerkriminalität. Aber natürlich hat sich dieses Engagement vor allem niedergeschlagen in der Diskussion über die neue Suche nach einem Endlager für Atommüll in Deutschland. Treue Leserinnen und Leser dieser Begrüßung haben dazu in den letzten Wochen immer wieder einen Zwischenbericht lesen können. Dieses Thema war sicher so etwas wie die Feuertaufe der neuen Landesregierung. Auch wenn die Diskussion noch nicht zu Ende ist, lässt sich eines festhalten: Es ist gelungen, einen zwischen fast allen politischen Lagern abgestimmten Gesetzentwurf wesentlich zu verbessern und niedersächsische Interessen durch zu setzen.
Politisch fällt mein Rückblick positiv aus, persönlich auch. Die Arbeit als Ministerpräsident macht mir große Freude, so kann es gerne weiter gehen. Es kommen schließlich noch viele, viele hundert Tage!