In den Restaurants und beim Baden war längst nicht das Gedränge zu verzeichnen, das wir von anderen Italien-Urlauben kannten. Wie gesagt, gestört hat uns das nicht, wir hatten unsere Ruhe. Aber der Grund für diese Ruhe ist nicht wirklich schön, wie mir etliche Gespräche gezeigt haben.
Italien befindet sich nämlich, ebenso wie die anderen südeuropäischen Länder, in einer tiefen Rezession, die durch eine harte Sparpolitik des Staates zur Bewältigung der Schuldenkrise ausgelöst worden ist. Ebenso wie in Griechenland, Spanien und Portugal wird die Misswirtschaft früherer Jahre natürlich nicht in erster Linie von denjenigen Bevölkerungskreisen ausgebadet, die davon durchaus profitiert haben. Darunter zu leiden haben in erster Linie die Millionen sogenannter "kleiner Leute", die zwar nicht die Möglichkeit hatten, große Beträge bei den Steuern zu hinter ziehen oder Vermögen an zu legen, dafür jetzt aber drastisch höhere Benzin-Preise verkraften müssen oder sich Sorgen machen, weil es für ihre Kinder derzeit nicht einmal mehr die Chance auf einen Job gibt. Die freien Plätze in den Restaurants sind also nur die Spitze des Eisbergs, dahinter verbergen sich viel größere Probleme.
Zu diesen Problemen zählt auch ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Politik und damit ist wirklich die ganze Politik gemeint. Die immer noch hohen Stimmanteile für Silvio Berlusconi bei den letzten Wahlen und der Erdrutsch-Erfolg der "Grillini", wie die Protest-Bewegung um ihren Anführer Beppe Grillo genannt wird, sind offenbar Ausdruck tiefer Ratlosigkeit, wem man eigentlich noch trauen kann. Grillo zum Beispiel verweigert sich konsequent öffentlichen Diskussionen und sorgt intern dafür, dass nur seine Meinung zählt. Berlusconi kämpft nach unzähligen Skandalen jetzt womöglich sein letztes Gefecht mit der Justiz. Und die demokratische Linke hat vor allem mit der eigenen Zerstrittenheit zu tun. Dagegen nehmen sich die Verhältnisse in der deutschen Politik bei aller notwendigen Kritik sehr ansehnlich aus.
Genau diese deutsche Politik ist aber nach der Überzeugung vieler Italiener Teil ihres Problems. Nicht, dass die Notwendigkeit eigener Reformen geleugnet würde, ganz im Gegenteil. Wie aber der Ausweg aus einer tiefen Wirtschaftskrise nur über das Sparen erreicht werden soll, können viele Gesprächspartner nicht begreifen – und ich übrigens auch nicht. Dass aber gerade Deutschland keine andere Option zulässt, hat das Bild von unserem Land in Italien und sicher auch im übrigen Südeuropa massiv geprägt. Das Rezept der Kanzlerin "Es muss weh tun" hilft nun einmal nicht weiter, wenn nicht auch gleichzeitig und gezielt für Wachstum gesorgt wird. Ansonsten wird in Italien und anderswo nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie weiter Schaden nehmen.
Zeit für eine neue Politik also, in Italien und auch bei uns. Und so bin ich unverhofft nicht nur persönlich top-erholt wieder gekommen, sondern auch top-motiviert. Schließlich sind in zwei Monaten Bundestagswahlen und da kann man auch jede Menge Europa-Politik ändern!
Ich wünsche Ihnen und Euch eine gute Woche.