Nach Brüssel mit Sorgen im Gepäck

Grünkohl und dann Gründkohl. Die Ernährung des niedersächsischen Ministerpräsidenten in dieser Jahreszeit ist ein wenig einseitig, aber nahrhaft. Das nächste Grünkohlessen steht bei mir am Dienstag an, da lädt die niedersächsische Landesvertretung in Brüssel zu einer Zusammenkunft ein, die allgemein neben dem Oktoberfest der bayrischen Landesvertretung als besonders gelungener Ausdruck deutscher Lebensart am Sitz der Europäischen Union gilt. Dementsprechend groß ist immer wieder der Zulauf.

Aber natürlich ist der Grünkohl nicht der einzige Grund für meine Brüssel-Reise. Viel wichtiger sind die politischen Gespräche, die ich mit dem Präsidenten der EU-Kommission José Manuel Barroso, mit dem Energie-Kommissar Günther Oettinger und der für Klimaschutz zuständigen Kommissarin Connie Hedegaard führen kann. Und immer wird es um das derzeit heißeste innenpolitische Thema gehen, den Fortgang der Energiewende. Wie es in Deutschland in Sachen Energiepolitik weiter gehen wird, hängt nämlich auch sehr von der EU ab.

Der Grund dafür scheint auf den ersten ein sehr formaler zu sein: Die EU-Kommission hat nämlich gegen Deutschland ein sogenanntes Beihilfeverfahren wegen der Beeinflussung des Wettbewerbes eröffnet, weil energieintensive Unternehmen von der Zahlung der EEG-Umlage befreit sind, mit die Kosten für die erneuerbaren Energien verteilt werden. Der Hintergrund: Energieintensive Unternehmen sollen durch die Kosten der Energiewende nicht überfordert werden. Das klingt nicht so furchtbar spannend, die Auswirkungen sind es aber sehr wohl. Viele dieser Unternehmen sind nämlich vorwiegend im Export tätig und stehen auf den internationalen Märkten in einem knallharten Wettbewerb mit anderen Unternehmen aus anderen Ländern. Da zählt am Ende der Preis. Wenn nun aber z.B. die Stahlindustrie oder die chemische Industrie aus Deutschland mit der vollen EEG-Umlage belastet wird, sind sie wohl nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Konsequenzen wären bitter, denn auf Dauer hätten diese Industrien in Deutschland wohl kaum noch eine Perspektive.

Das betrifft auch viele niedersächsische Unternehmen wie die Salzgitter AG, DOW Chemicals oder Xtrada. Deswegen habe ich mich mit diesen und anderen Unternehmen vor kurzem getroffen und mir die Situation schildern lassen, die tatsächlich besorgniserregend ist. Und noch etwas kommt hinzu: Dieses Thema muss schnell vom Tisch, denn solange das Beihilfeverfahren läuft, darf es keine weiteren Befreiungen von der EEG-Umlage geben. Viele Unternehmen und die dort vorhandenen Arbeitsplätze wären also sehr schnell in Gefahr.

Auf die Brisanz der Lage hin zu weisen und nach Lösungswegen zu suchen, ist mir das wichtigste Anliegen meines Brüssel-Aufenthalts. Denn dass am Ende die Industrie die Basis unseres Wohlstandes, aber auch unseres Sozialstaates ist, davon bin ich tief überzeugt. Und gerade für diesen Bereich brauchen wir stabile Rahmenbedingungen und wettbewerbsfähige Standortkosten, damit auch künftig in der deutschen Industrie investiert wird.