Erholsam war das ganz bestimmt nicht, aber hochinteressant. Ich habe viele Gespräche geführt und Einrichtungen sowie Unternehmen besucht. Was zurück bleibt, sind vor allem ganz widersprüchlicher Eindrücke. Ein kleine Auswahl gefällig?
Das ist zum Beispiel der Kontrast von unendlicher Weite und drangvoller Enge. Brasilien ist achtundzwanzig mal größer als Deutschland und für einen kleinen Inlandsflug braucht es dann eben schon einmal drei Stunden. Und auf der anderen Seite ballen sich in Sao Paulo mehr als zwanzig Millionen Menschen und der Verkehr ist eine Katastrophe, einen ÖPNV gibt es kaum und viele Menschen stehen jeden Tag stundenlang im Stau.
Oder die politische Situation. Brasilien ist jetzt schon länger als ein Vierteljahrhundert eine stabile parlamentarische Demokratie und hat damit als größtes Landes des Kontinents auch einen großen Anteil daran, dass Südamerika in dieser Zeit insgesamt sehr viel demokratischer geworden ist. Auf der anderen Seite gibt es auffällig viele Probleme und einen Vertrauensverlust für die Politiker, die häufig als korrupt gelten. Dass es im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft massenhaft Proteste gegeben hat, hängt – so mir immer wieder gesagt worden – vor allem auch damit zusammen, dass viele Leute mit ihrer Geduld am Ende sind.
Oder die Diskrepanz von Hightech und massenhafter Armut, die einem bei jeder Autofahrt wieder ins Auge spingt. Brasilien hat es vor allem unter Präsident Lula geschafft, sage und schreibe vierzig Millionen Menschen aus der Armut in die untere Mittelschicht zu bringen. Das Land verfügt über sehr viel Potenzial und ist zum Beispiel im Flugzeugbau durch die Firma Embraer mit in der Weltspitze. Und andererseits gibt es für große Teile der Bevölkerung so gut wie keine Aussicht, dass sie oder ihre Kinder aus der Situation einer ausweglosen Armut einmal heraus kommen.
Vor allem aber überwiegt die Erinnerung an herzliche und freundliche Menschen. Zwischen Brasilien und Deutschland herrschen traditionell sehr gute Beziehungen, Sao Paulo ist übrigens mit 900 deutschen Unternehmen und 250.000 Beschäftigten so etwas wie die größte deutsche Industriestadt. Deutsche Einwanderer haben viel zur Entwicklung des Landes beigetragen und die Brasilianer zeigen offen ihre Sympathie für unser Land. Bilaterale Probleme gibt es so gut wie keine – mit einer Ausnahme . In meinen Gesprächen habe ich nämlich immer wieder in einer Frage keine Einigung erzielen können: Wer wird Fußball-Weltmeister 2014? Meistens haben wir uns aber wenigstens auf das Finale verständigen können, die Paarung lautet natürlich: Brasilien gegen Deutschland!