Kalter Krieg 2.0

Es herrscht schönes Frühlingswetter, die Landespolitik läuft gut, sonst habe ich politisch auch nichts zu klagen - und trotzdem empfinde ich die Situation derzeit als zunehmend ungemütlich. Das liegt an den Ereignissen in der Ost-Ukraine, die immer undurchschaubarer und immer bedrohlicher klingen. Am Wochenende hat man keine Ahnung, was die nächste Woche bringen mag und ob eine weitere Eskalation droht.

Noch vor wenigen Monaten wäre eine solche Zuspitzung kaum vorstellbar gewesen. Als ich im November Russland besucht habe, hatte die damalige ukrainische Regierung gerade entschieden, doch kein Freihandelabkommen mit der EU zu schließen. Dass ein innerlich so zerrissenes Land überhaupt vor die Wahl gestellt wurde, sich zwischen EU und Russland entscheiden zu müssen, ist im Nachhinein mehr als bedauerlich.

Danach folgten Monate härtester innerer Auseinandersetzungen in der Ukraine, die mit der Flucht der alten Machthaber und der Bildung einer provisorischen Regierung nur scheinbar ein Ende fanden. Statt dessen zeigten sich im russisch geprägten Teil Abspaltungstendenzen, sorgte Russland völkerrrechtswidrig für die Übernahme der Krim und nun schaut alles auf die Ost-Ukraine und fragt sich, wie das alles enden soll. Ein Hoffnungsschimmer, die Vereinbarung von Genf, ist jedenfalls schon wieder weg. Statt einer Entwaffnung und Verhandlungen über mehr Selbstbestimmung toben Kämpfe.

Wer die Schuld an diesem Desaster hat? Da gehen die Meinungen zwischen Ost und West sehr auseinander und die Wahrheit ist bekanntlich bei solchen Konflikten das erste Opfer. Mir fällt jedenfalls auf, dass die Reflexe des Kalten Krieges ruckzuck wieder funktionieren – und das nach einem Vierteljahrhundert immer enger werdender Zusammenarbeit. Gut und böse sind sauber von einander getrennt, das gilt in Ost und West. Scheinbar sind Sanktionen der Gipfel der politischen Fantasie (wann haben die eigentlich einmal Erfolg gehabt?). Und eine Geburtagsfeier für Gerd Schröder, an der auch Präsident Putin teilnimmt, ist Gegenstand nahezu einhelliger medialer Empörung, jedenfalls bis zur Freilassung der gefangen genommenen Beobachter am Wochenende.

Diplomatie statt Militär, Reden statt Drohen, das scheint mir auf allen Seiten der einzige Weg zu sein, aus dem Dilemma heraus zu kommen. Und vielleicht die Erinnerung daran, dass in wenigen Wochen die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des I. Weltkriegs beginnen – auch so ein Regionalkonflikt, der nicht entschieden eingedämmt wurde.