Ein spannender Besuch in der Türkei

Reisen bildet, davon habe ich mich in der letzten Woche wieder einmal überzeugen können. Gemeinsam mit einer niedersächsischen Delegation von mehr als 90 Unternehmen, Hochschulen, Institutionen und Landtagsabgeordneten war ich in der Türkei. Schon das ungewöhnlich große Interesse daran, an einer solchen Reise teil zu nehmen, ist bemerkenswert. Das gilt nicht weniger für die Aufmerksamkeit, die unser Besuch in der Türkei gefunden hat - in den Medien und in der Politik.

Die gesamte Spitze des Staates stand für Gespräche zur Verfügung: Staatspräsident Gül, Ministerpräsident Erdogan, viele Minister und Gouverneure.

Der eine Grund für das wechselseitig große Interesse an einander liegt auf der Hand. Zwischen der Türkei und Deutschland besteht eine einzigartig intensive Beziehung, die sich in Zahlen ausdrücken lässt. Mehr als drei Millionen türkischstämmige Menschen leben in Deutschland, mehr als fünf Millionen Rückkehrerinnen und Rückkehrer in der Türkei, mehr als fünf Millionen Deutsche verbringen Jahr für Jahr ihren Urlaub in der Türkei. So intensive menschliche Beziehungen dürfte Deutschland mit keinem anderen Land haben und auf dieser Grundlage gibt es eben auch eine untrennbare Verbindungen zwischen beiden Ländern.

Ich möchte gerne auch weiter an einer Intensivierung dieser Kontakte arbeiten und deswegen haben wir eine enge Kooperation Niedersachsens mit der Provinz Konya in Zentralanatolien auf dieser Reise vereinbart.

Konya ist auch ein gutes Beispiel für den zweiten Grund dafür, dass man sich in beiden Ländern so für einander interessiert. In den letzten zehn Jahren hat sich die Türkei wirtschaftlich herausragend entwickelt und gilt inzwischen als einer der interessantesten Märkte der Welt. In Konya etwa ist eine bemerkenswerte industrielle Entwicklung zu beobachten und deswegen gilt die Stadt auch als "anatolischer Tiger". Kein Wunder, dass auf dieser Grundlage auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland immer intensiver werden und viele niedersächsische Unternehmen sich ein Engagement in der Türkei vorstellen können. Mir ist von sehr konkreten und guten Gesprächen während der Reise berichtet worden, und das freut mich natürlich.

Der dritte Grund, warum es ein gesteigertes Interesse an diesem Türkei-Besuch gab, war die aktuelle politische Entwicklung. Eine Woche vor mir hatte Bundespräsident Gauck bei seinem Besuch in der Türkei von Sorgen in Deutschland wegen der politischen Entwicklung in der Türkei berichtet und Ministerpräsident Erdogan hatte darauf heftig erwidert. Ich hatte in dieser Hinsicht durchweg ruhige, freundliche und zugleich offene Gespräche, in denen ich Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung und des Grundrechtsschutzes natürlich angesprochen habe. Und vor allem habe ich auf eines hingewiesen: Bekanntlich strebt die Türkei die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an und meines Erachtens gibt es dafür auch sehr gute Gründe, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Dazu zählt vor allem auch ein gemeinsames Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat – das gemeinsame europäische Haus braucht eben auch eine gemeinsame Hausordnung. Internetsperren und andere Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit lassen sich damit kaum vereinbaren.

Ein Detail am Rande, das nicht unwichtig ist: Die Türkei ist durchaus bereit, im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen diese Themen zu verhandeln, und drängt sogar darauf, endlich anzufangen. Das wollen auch Deutschland, Frankreich und die allermeisten anderen EU-Mitglieder, nur Zypern blockiert derzeit diesen Prozess. Das kann nun wirklich nicht das letzte Wort in dieser Sache sein.

Und was bleibt noch als Erinnerung? Eine immer wieder überwältigende Gastfreundschaft, die wir in Deutschland so kaum kennen.

Eine spannende Woche also, die ich hatte. Jetzt freue ich mich auf die nächste und wünsche Euch, dass sie gut wird!