Der IS-Terror und Deutschland

Die letzte Woche war bei mir wieder prall voll mit Erlebnissen, aber wie so oft ist am Ende ein kurzes Gespräch am meisten haften geblieben. Mein Gesprächspartner war Dr. Aydin, Erzbischof der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, und seine Begleitung, Gemeindemitglieder aus Delmenhorst und Hannover. Diese Glaubensrichtung wird den meisten von Euch nichts sagen – sie ist uralt, die Mitglieder sprechen aramäisch (die Sprache Christi) und ihr Zentrum ist der Nord-Irak. Oder muss man sagen "war der Nord-Irak"? Denn die Gemeinden und ihre Mitglieder sind seit Monaten Opfer einer gnadenlosen Verfolgung und Vertreibung durch die Terroristen des "Islamischen Staates".

Was  in diesem Gespräch berichtet wurde, ist mir tief unter die Haut gegangen. Von der Denunziation durch Nachbarn durch den Buchstaben N ("Nazarener"), von dem Verkauf und der Versklavung gefangener Frauen, von durch Fotos belegten unbeschreiblichen Greueltaten handelte das  Gespräch und von der Ohnmacht der in Deutschland lebenden Kirchenmitglieder, diesem Schicksal ihrer Verwandten und Bekannten zuschauen zu müssen. Und davon, dass aus von Deutschland zugesagter Hilfe noch nichts zu spüren sei.

So geht es jetzt schon seit Monaten und längst ist dieser Schrecken auch in Deutschland angekommen. Aiman Mazyek, der Generalsekretär des Zentralrates der Muslim in Deutschland, erzählte mir bei einer Begegnung ebenfalls in der letzten Woche, wie sehr es an seiner Kraft zehre, sich im Namen von Millionen friedlichen Muslimen Tag für Tag von diesem Terror zu distanzieren. Und vielen dieser Menschen geht es sicher genauso. Gleichzeitig kam es in Celle zu einer schweren Auseinandersetzung zwischen jungen Yeziden, die ebenfalls zu den Opfern des IS gehören, und Muslimen. Gut, dass die Älteren aus beiden Gemeinden sehr schnell wieder für Besonnenheit gesorgt haben. Und so könnte ich manchen anderen Bericht anfügen.

Gleichzeitig geht im nahen und mittleren Osten der Alptraum unverändert weiter. Beim Schreiben dieser Kolumne ist die kurdische Stadt Kobane noch umkämpft, aber ob das in der nächsten Woche auch noch so ist?

Was kann geschehen? Dass Deutschland tut, was in seiner Macht steht, um Opfern zu helfen, muss  selbstverständlich sein. Aber reicht das? Mit historischen Vergleichen sollte man vorsichtig sein, aber dennoch: Dass vor achtzig Jahren die Nationalsozialisten über ein Jahrzehnt lang einen namenlosen Terror ausüben konnten, lag an ihrer unbedingten Entschlossenheit ebenso wie an der lange fehlenden Entschlossenheit der Demokratien, das zu verhindern. Und genau diese Entschlossenheit ist – so scheint es – jetzt nötig.

Trotz des bedrückenden Themas: Ich wünsche Euch eine schöne Woche.