Dicke Bretter bei Flucht und Asyl

Ich bin wieder am Start. Nach ein paar Tagen Juist bei Top-Wetter (dann ist die Karibik gegenüber den ostfriesischen Inseln chancenlos!) ist der Sommerurlaub jetzt definitiv vorbei und es geht wieder los mit Politik. Und ich freue mich auch darauf! Was hat sich geändert über den Sommer? Da muss ich nicht lange nachdenken: Die große Zahl von Flüchtlingen und Asyl-Bewerbern war schon im ersten Halbjahr die größte innenpolitische Herausforderung.

Aber dieses Thema hat inzwischen noch eine ganz andere Bedeutung. Inzwischen hat der Bundesinnenminister seine Prognose noch einmal verdoppelt und erwartet in diesem Jahr  bis zu  800 000 Menschen, die aus allen Teilen der Welt nach Deutschland kommen. Monatelang hatten die Länder kritisiert, die Bundesregierung unterschätze das Problem. Inzwischen ist klar, dass sich in dieser Hinsicht nichts mehr unter den Teppich kehren lässt.

Die Kommunen, die für die Unterkunft sorgen müssen, befinden sich in einem ununterbrochenen Krisen-Management. Umso bemerkenswerter finde ich, dass die Aufnahmebereitschaft in Deutschland nach wie vor hoch ist und sogar noch wächst, das weisen zumindest die letzten Zahlen des Politbarometers des ZDF auf. Vor diesem Hintergrund ist die offene rechtsextreme Gewalt in Sachsen gegen Flüchtlinge noch unerträglicher. Flüchtlinge haben Anspruch auf Schutz vor Gewalt, und zwar auch und gerade in Deutschland!

Flucht und Asyl werden die politische Diskussion in den nächsten Wochen mit Sicherheit beherrschen. Für mich stehen dabei folgende Themen im Vordergrund:

  • Wir müssen sehr schnell noch mehr Unterkünfte errichten und dafür auch gesetzliche Hürden senken. Niedersachsen hat dafür eine ganze Reihe von praktischen Vorschlägen gemacht.
  • Wir müssen die Kommunen dauerhaft und strukturell von einem Großteil der Kosten entlasten. Dafür brauchen wir das Engagement des Bundes und genau darum wird es bei Verhandlungen in Berlin Anfang September gehen.
  • Wir müssen das Asylverfahren deutlich beschleunigen. AsylbewerberInnen müssen sehr viel schneller wissen, ob sie eine Bleibeperspektive haben oder nicht. Auch darum geht es bei den Gesprächen zwischen dem Bund und den Ländern – der Bund muss den Worten endlich Taten folgen lassen.
  • Dass sich dieses Thema national lösen lässt, ist ziemlich unwahrscheinlich. Die EU muss endlich zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik kommen, innerhalb der EU und auch außerhalb ihrer Grenzen.

Das sind ziemlich dicke Bretter, die in den nächsten Wochen zu bohren sind. Aber das wird noch nicht reichen. Anders als in den 90er Jahren, als hohe Zugangszahlen sehr schnell auch wieder zurückgegangen sind, könnten wir zwanzig Jahre später etwas anderes erleben, nämlich eine dauerhafte Wanderungsbewegung auf hohem Niveau. Was das für unsere Gesellschaft heißt, ist noch nicht gründlich diskutiert worden, aber das wird nötig sein.

Und ein sehr ernst gemeintes Wort zum Schluss: Die vielen tausend Menschen, die ganz praktisch helfen, sind wirklich großartig. Herzlichen Dank! Es ist gut, in einem Land zu leben, in dem Mitgefühl und Hilfsbereitschaft so ernst genommen werden.