Grenzkontrollen – und dann?

Es hört sich an wie eine Floskel, aber im Moment überschlagen sich die Ereignisse. Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in nicht gekannter Zahl schlagen sich über die Balkan-Route, Ungarn und Österreich nach Deutschland durch und kommen in München an. 13.000 waren es alleine am vergangenen Samstag und nicht nur in München sind die Aufnahmemöglichkeiten inzwischen erschöpft. Und dann am Sonntagabend der Paukenschlag: An den deutschen Grenzen werden wieder Kontrollen durchgeführt.

In den letzten beiden Wochen sind in Niedersachsen tausende von Aufnahmeplätzen buchstäblich aus dem Boden gestampft worden. Dabei haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes, der Kommunen, der Hilfsorganisation und auch unzählige ehrenamtliche Helfer eine herausragende Leistung vollbracht. Herzlichen Dank! Auf dieser Grundlage kann Niedersachsen jetzt noch einmal wie kein anderes Bundesland Entlastung für Bayern schaffen. Unter anderem werden Züge wohl ab der nächsten Woche zur Entlastung des Münchener Hauptbahnhofs direkt nach Niedersachsen weitergeleitet. Es gibt jetzt eine nationale Aufgabe zu lösen und wir werden unsere Möglichkeiten dafür ausschöpfen. Dabei hilft sehr eine unverändert hohe und auch in vielen Fällen ans Herz gehende Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung. Auf ein solches Land mit so viel Mitgefühl kann man wirklich stolz sein!

Auch in der Landespolitik strengen wir uns enorm an. Noch in diesem Jahr werden wir die Kommunen um 180 Millionen Euro entlasten, wir haben ein umfassendes Paket zur Sprachförderung vorgeschlagen mit allein ca. 700 Lehrerinnen und Lehrern zusätzlich; ein Wohnungsbauprogramm soll den Neubau von 5000 Wohnung in den Ballungszentren möglich machen. Das alles wäre vor kurzem noch nicht denkbar gewesen, aber jetzt haben wir eine riesige Herausforderung zu meistern.

Trotz all dieser Anstrengungen – alleine wird Deutschland auf Dauer die Probleme nicht lösen können. Gemeinsam mit Schweden und Österreich hebt sich unser Land sehr positiv ab von anderen EU-Mitgliedern, die mit den Problemen der Flüchtlinge nichts zu tun haben wollen, aber auf uns alleine gestellt ist ein Ende unserer Möglichkeiten in Sicht. Das muss uns allen klar sein. Und ganz aktuell brauchen unsere Aufnahmesysteme schlichtweg einmal eine Atempause.

Mehr als diese Atempause dürften auch Grenzkontrollen nicht bewirken, die Flüchtlingsnot lösen können sie jedenfalls nicht. Das dürfte in den nächsten Tagen deutlich werden, dann sind schlimme Bilder von der EU- Außengrenze zu erwarten. Deswegen dürfen Grenzkontrollen nicht das letzte Wort bleiben.

Europa bietet derzeit ein erbärmliches Bild. Der größte Erfolg der europäischen Einigung, offene Grenzen in der EU, ist derzeit in akuter Gefahr und das ist für Europa ein viel größeres Risiko als die Finanzprobleme Griechenlands. Deswegen richten sich die Blicke mehr denn je auf Berlin und Brüssel. Dort muss jetzt geklärt werden, wie es weitergehen soll. Die Entwicklung der letzten zehn Tage kann so nicht fortgeschrieben werden, die Flüchtlingsnot zu ignorieren ist auch keine Antwort. Wir brauchen dringend ein System der geregelten Aufnahme von Flüchtlingen in Europa.