Umso schöner ist es dann, vom Krisen-Modus auch einmal eine Auszeit nehmen zu können, zum Beispiel durch einen Ausbruch in die Normalität. Am letzten Donnerstag war ich in Achim bei Bremen und habe ein Kurz-Praktikum bei der dortigen Polizei gemacht. Abgesehen von den Finessen der Spurensicherung oder der Verkehrskontrolle hat mir die Atmosphäre besonders gut gefallen: Erkennbar engagierte Beamte, die an ihre schwierigen Aufgaben positiv herangehen und mit ihrem Beruf im Reinen sind. Besonders beeindruckend ist es übrigens, dass einige auch nach Feierabend noch weitermachen und sich engagieren.
Natürlich ist auch Achim keine Insel der Seligen und es ist bedrückend zu hören, in welchem Umfang zum Beispiel Arbeitskraft der Polizei durch Ermittlungen wegen Kinderpornographie gebunden ist. Und dennoch bleibt noch Kraft dafür, zum Beispiel erfolgreich neue Strategien gegen Wohnungseinbrüche zu testen. Probleme mit Flüchtlingen gab es übrigens nicht zu berichten, auch das ist eine gute Nachricht. Mir hat dieser Besuch viel Freude gemacht und auf eine solche Polizei kann man schlichtweg stolz sein.
Am Abend gab es dann noch eine Begegnung mit der Wirklichkeit. In der Reihe "Arbeit und Dialog" ist nicht nur ein kleines Praktikum in einem fremden Beruf tagsüber, sondern auch eine Bürgerversammlung abends fester Bestandteil. Dann geht es nicht darum, große Reden zu schwingen, sondern auf konkrete Fragen und Beiträge von Bürgerinnen und Bürgern zu antworten. In Achim gab es eine Premiere, allerdings nicht wirklich überraschend. Zum ersten Mal in zwei Jahren dominierten Fragen zur Flüchtlingspolitik die Diskussion. Das hatte ich auch so erwartet, gespannt war ich aber auf die Atmosphäre. Die war auf allen Seiten von großer Nachdenklichkeit geprägt, wie es denn weitergehen soll, und zwar von allen Seiten ganz ohne falsche Töne. Auch bei denen, die über Enttäuschungen bei Integrationsangeboten berichteten oder ihre Sorge über die Auswirkungen der hohen Zuwanderung äußerten, war der Respekt vor den Menschen in Not spürbar. Und wer die Willkommenskultur betonte, war gleichzeitig erkennbar sehr nachdenklich bezogen auf die Frage, wie es denn weitergehen soll.
Mich hat diese Resonanz beeindruckt. Die Bereitschaft, an ein so schwieriges Problem differenziert heranzugehen, ist vielleicht der beste Weg für eine Lösung. Die wird allerdings nicht auf Bürgerversammlungen gefunden werden können, sondern muss letztlich von der Bundesregierung kommen. So wie es jetzt ist, kann es sicher nicht bleiben. Das war der gemeinsame Nenner einer bemerkenswert guten Diskussion.