Die beste deutsche Schule

Die Erinnerungen an meine Grundschulzeit (damals noch: Volksschule) sind ziemlich blass, aber das ist ein halbes Jahrhundert danach auch kein Wunder. Besondere Höhepunkte sind jedenfalls nicht in meinem Gedächtnis zu finden und besonders viel Spaß habe ich damals auch nicht gehabt. Dass es auch anders geht, davon habe ich mich in den vergangenen Jahren bei Schulbesuchen immer wieder überzeugen können, aber ein Erlebnis in der letzten Woche hat diese Erlebnisse noch einmal getoppt.

Ich war nämlich zu Besuch in der Grundschule auf dem Süsteresch. Das wird den meisten natürlich nichts sagen – die Schule liegt in Schüttdorf und Schüttdorf ist ein Ort in der Grafschaft Bentheim. Auf den ersten Blick also nicht wirklich spektakulär, aber es handelt sich um nicht weniger als die beste Schule Deutschlands. So darf man eine Schule wohl mit Fug und Recht nennen, die den Deutschen Schulpreis 2016 der Robert-Bosch-Stiftung gewonnen hat. Und nach meinem Besuch kann ich mir auch vorstellen, warum unter vielen tausend Schulen die Wahl ausgerechnet auf diese Grundschule gefallen ist.

Die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten nach einem ausgefeilten pädagogischen Konzept, dessen Grundgedanke meine Erfahrungen auf den Kopf stellt: Lehrer gestalten nicht mehr länger den Unterricht, sondern begleiten ihre Schülerinnen und Schüler, wenn die weitgehend selbstbestimmt lernen. Rechnen (oder heißt das inzwischen Mathematik?) findet zum Beispiel nicht im Klassenunterricht und anhand des Lehrbuches statt, sondern in der "Baubude". Das ist ein großer Raum, der wie ein Spiel- oder Bastelzimmer wirkt. Die Kinder entscheiden selbst, welche Lerneinheiten sie sich vornehmen. Dabei sind sie ganz unterschiedlich schnell, je nach ihren Möglichkeiten. Die Lehrer begleiten sie und besprechen die dabei erzielten Ergebnisse mit den Kindern. Unter dem Strich haben sie dadurch, wie mir berichtet wurde, auch viel mehr Zeit, sich um die schwächeren Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Und das Leistungsvermögen am Ende der Grundschule? Ist nicht schlechter, sondern überdurchschnittlich.

Das Ganze wirkt bemerkenswert unangestrengt für den Besucher – die Kinder sind erkennbar gut drauf. Das liegt sicher auch daran, dass es eine ganze Reihe von attraktiven weiteren Angeboten gibt, zum Beispiel im Rahmen des (offenen) Ganztagsbetriebes.

Eine solche Schule fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis langjähriger Anstrengungen. Der Schulleiter ist 22 Jahre dabei, die Konrektorin 12 Jahre. Auch innerhalb des Kollegiums war es eine Entwicklung, wie mir berichtet wurde, bis jetzt alle Teile voll und ganz hinter dieser ganz anderen Schule stehen. Dazu kann man nur herzlich gratulieren, das Ergebnis spricht für sich.

Mir hat die Grundschule auf dem Süsteresch jedenfalls sehr imponiert. Hoffentlich regt dieses Beispiel auch viele andere an, sich auf einen solchen Weg zu machen. Und vielleicht ist Schüttdorf dann eines Tages überall.