Mit den Infektionszahlen ist es derzeit wie mit den Temperaturen – sie sind zu hoch. Wer gehofft hatte, im Sommer werde das Virus eine Pause einlegen, hat sich getäuscht. Jeden Tag sind es etwas unter 1500 neue Infektionen, die bekannt werden, und die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher sein. In Niedersachsen schlagen wir uns derzeit im Bundesvergleich recht beachtlich, aber auch bei uns werden täglich um die 100 neue Fälle bekannt, mal etwas mehr und mal etwas weniger. Von Entspannung kann keine Rede sein und wir müssen davon ausgehen, dass auch der Rest des Jahres unter den Vorzeichen der Pandemie stehen wird.
Es ist vor allem unerwünschter Import, der uns zu schaffen macht. In etlichen europäischen Ländern rollt tatsächlich derzeit eine zweite Welle und Urlaubsrückkehrer vom Balkan, aus Spanien und anderen Regionen bringen in nicht wenigen Fällen das Virus mit nach Hause. Wer mit dem Flugzeug aus einem Risikogebiet kommt, wird jetzt am Flughafen getestet, aber das ist vielleicht noch gar nicht einmal die Mehrheit. Warum dasselbe nicht auch an den Grenzübergängen im Süden gilt und zwar nicht nur freiwillig, habe ich noch nicht verstanden.
Und trotzdem ist es spürbar anders als vor einem halben Jahr, als C 19 ebenfalls von außen nach Deutschland eingetragen worden ist. Die Zahlen steigen, aber eben nicht sprunghaft, sondern nach und nach. Um nicht missverstanden zu werden: das ist alles andere als eine Entwarnung. Aber die inzwischen erzielten Fortschritte beim Infektionsschutz machen sich offenbar durchaus bemerkbar – die meisten Menchen achten auf Abstand und benutzen ihre Maske oft auch dann, wenn es nicht Pflicht ist. Und die Gesundheitsämter vor Ort spüren Infektionsketten auf und sorgen so gut es geht für deren Unterbrechung. Das ist eine enorm aufwendige und mühsame Arbeit, für die wir gar nicht genug dankbar sein können. Vor diesem Hintergrund zögere ich auch, derzeit von einer zweiten Welle zu sprechen – „dünnes Eis“ trifft es eher, finde ich.
Ein richtig unbeschwertes Sommervergnügen ist es jedenfalls auf keinen Fall und gleichzeitg ein Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Monaten erwartet. In zehn Tagen fängt auch in Niedersachsen wieder die Schule an und damit sind ziemlich genau so viele Hoffnungen wie Befürchtungen verbunden. Viele Schülerinnen und Schüler freuen sich darauf, endlich wieder mit den anderen zusammen zu sein, viele Eltern atmen auf. Aber was ist, wenn es zu Infektionen kommt, fragen umgekehrt ungefähr genauso viele, und das kann natürlich überhaupt nicht ausgeschlossen werden.
In Niedersachsen haben wir wie in den anderen Ländern ein differenziertes Konzept, das von einem normalen Unterricht in der ganzen Klasse in einer entspannten Situation bis zum e-schooling bei vielen Infektionen reicht. Mir scheint das eine kluge Planung zu sein und so ähnlich können wir uns vielleicht auch in andereren Bereichen die nächsten Monate vorstellen: flexible und meistens auch regionale abgegrenzte Reaktionen auf steigende Infektionen. Das Fundament dafür ist in jedem Fall der ganz persönliche Beitrag jeder und jedes einzelnen zum Infektionsschutz: Abstand, Hygiene und Maske behalten auf absehbare Zeit eine überragende Bedeutung.
Schön ist das alles nicht, aber viele Menschen in anderen Regionen der Welt würden derzeit sehr gerne mit uns tauschen. Auch unter diesen Umständen ist nämlich sehr viel Lebensqualität möglich. Ich wünsche Euch, dass Ihr genau diese Erfahrung macht, am besten schon in der nächsten Woche!