Nie wieder?!

Am 8. Mai wird gerade in den Ländern der früheren Sowjetunion an das Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 erinnert und der vielen Millionen Toten gedacht, die vor allem  in diesen Ländern zu beklagen gewesen sind. Das Gedenken in diesem Jahr ist überschattet von dem gleichzeitig stattfindenden Krieg zwischen zwei Staaten, die vor siebenundsiebzig Jahren noch gemeinsam die Opfer betrauert und den Sieg über Hitler gefeiert haben. Damals sind Russland und die Ukraine von Deutschland überfallen worden, heute hat Russland die Ukraine überfallen. Während der Toten von damals gedacht wird, sterben erneut jeden Tag mehr Menschen in einem brutalen Angriffskrieg.

„Nie wieder Krieg“ war eine Schlussfolgerung, die Millionen von Menschen aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen haben. Das war niemals ganz und gar durchsetzbar, seitdem hat es viele Kriege in unterschiedlichen Teilen der Welt gegeben. Aber immerhin in Europa sind wir seitdem von einem bewaffneten Konflikt dieser Größenordnung verschont geblieben, bis Wladimir Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine begonnen hat. „Nie wieder!“ – ist diese Losung damit endgültig vom Tisch?

Natürlich sind die Bilder deprimierend, die wir täglich aus der Ukraine sehen. Aber gleichzeitig zeigt sich, dass die Aggression einer vermeintlich übermächtigen Militärmacht gegen ein deutlich kleineres Land nicht resignierend hingenommen, sondern entschlossen bekämpft wird. In erster Linie natürlich von den Menschen in der Ukraine selbst, die in nie gekannter Einheit für ihr Land kämpfen. Aber auch durch die massive Unterstützung aus dem Westen, der ebenfalls geschlossen ist, wie sehr lange nicht mehr, und mit der Lieferung von Material, aber auch den harten wirtschaftlichen Konsequenzen eine deutliche Wirkung erzielt hat.

Aber es geht noch darüber hinaus: Ich bin in der letzten Woche in Schweden gewesen. Das wichtigste politische Thema dort ist aktuell die Entscheidung, ob dieses traditionell neutrale Land nun der NATO beitreten soll. Der Nachbar Finnland ist dazu erkennbar entschlossen. Das ist für diese Staaten ein weiter Weg, aber sie sehen für sich keine andere Möglichkeit, den Frieden für ihr Land verlässlich zu sichern. Wenn Putin die NATO mit dem Angriff auf die Ukraine von den Grenzen seines Landes fernhalten wollte, hat er genau das Gegenteil bewirkt.

Ein Angriff auf einen anderen Staat birgt ein hohes Risiko für den Angreifer in sich, das ist gegenwärtig deutlich zu sehen. Und zugleich ist mit dem Widerstand, dem Zusammenhalt und den harten Reaktionen die Hoffnung verbunden, dass am Ende „Nie wieder“ eben doch durchsetzbar ist, freilich nur zu einem hohen Preis. Der Tag der Befreiung ist in diesem Jahr vor allem ein Tag der großen Nachdenklichkeit.

Ich wünsche Euch eine gute Woche!