Humanität und Ordnung

Im Studium waren durchgemachte Nächte eher ein Vergnügen, das ist jedenfalls meine – vielleicht verklärte – Erinnerung. Das ist heute bei mir definitiv nicht mehr der Fall und der Dienstag nach dem „Migrations-Gipfel“ zwischen Bund und Ländern in Berlin war gelinde gesagt beschwerlich.
Hat es sich denn gelohnt? Auch mit einigen Tagen Abstand aus meiner Sicht: Ja. Denn wenn eine Bundesregierung aus drei Parteien und sechzehn Länderchefinnen und -chefs mit fünf Parteibüchern bei einem besonders umstrittenen Thema eine Einigung erzielen, ist das alles andere als selbstverständlich.
Wesentlich ist für mich die Haltung, die in diesem Beschluss zum Ausdruck kommt – Humanität und Ordnung. Wir stehen zu unseren Verpflichtungen aus dem Grundgesetz und dem Völkerrecht, Schutzbedürftige sollen Schutz bekommen (das ist übrigens die Mehrheit der aktuellen Zugänge). Aber ohne Recht auf Asyl oder Schutzbedürfnis vor allem nach der Genfer Flüchtlingskonvention auch kein Schutz. Die irreguläre Zuwanderung muss wirksam eingedämmt werden.
Genau das ist nach Umfragen auch die Meinung einer Mehrheit in unserer Gesellschaft und der Beschluss vom Dienstagmorgen enthält eine Reihe von Maßnahmen, wie dieses Ziel erreicht werden kann:
Dazu gehört etwa eine Unterstützung für den europäischen Asylkompromiss , der derzeit greifbar nahe ist – wir brauchen dringend eine gemeinsame Vorgehensweise in Europa und vor allem auch eine gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten. Wirksame Grenzkontrollen an den Ost- und Südgrenzen Deutschlands, am besten schon vor der Grenze. Schnellere Verfahren und wirksame Regeln für Abschiebungen. Und auch Einschränkungen bei einzelnen Sozialleistungen, die ein Anreiz für das Ziel Deutschland sein könnten.
In der Summe ist das ein Beschluss mit sehr viel Substanz, den durchzusetzen noch sehr harte Arbeit erfordern wird. Dafür haben sich die Beteiligten in die Pflicht genommen. Deswegen war es unterm Strich allemal der Mühe wert.
Das sei doch alles halbherzig und kein Kurswechsel, bemängelt jetzt die Bundes-CDU. Sie tut das, obwohl maßgebliche Unionspolitiker als Länderchefs beteiligt waren und die Union sechzehn Jahre lang Gelegenheit hatte, es ganz anders zu machen. Natürlich ist die Diskussion über die Umsetzbarkeit einzelner Maßnahmen nicht zu Ende, aber niemand soll glauben, es gebe ein Patentrezept.
Die CDU weiß das ganz genau und deswegen ist ihre Kritik auch so unbestimmt. Tatsächlich sind es viele kleine und große Stellschrauben, an denen gleichzeitig gedreht werden muss. Eine glaubwürdige Politik gaukelt den Leuten kein X für ein U vor. Umso schlimmer, wenn eine demokratische Partei aus wahltaktischen Gründen genau das macht.
Gespräche über einen gemeinsamen Kurs von Bundesregierung und Union in Sachen Zuwanderung seien „erledigt“, polterte Friedrich Merz am Dienstag. Am Ende der Woche klang das schon wieder konstruktiver – die Tür sei zwar zu, aber sie können sich ja wieder öffnen. Vielleicht ist sie auch nur angelehnt? Jedenfalls spricht sehr viel dafür, durchzugehen.
Ich wünsche Euch eine gute Woche.